Gedenken
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Erinnern
Emigration

Charlotte Cohn-Wolpe (ab 1935 Ziegler)

geb. am 10.09.1893 in Berlin
gest. 1977 in Downer’s Grove/Illinois

Mitglied der DGIM 1923 bis 1932

Charlotte Bassia Wolpe war die Tochter des jüdischen Kaufmanns Max Wolpe und dessen Ehefrau Anna geb. Veitel.1 Sie war die Schwägerin des Breslauer Studienrats und Tagebuchautors Willy Cohn (1888–1941).

Wolpe wuchs in Berlin auf. Sie besuchte die Viktoria-Luise-Schule in Wilmersdorf und wechselte im Frühjahr 1906 auf das Realgymnasium der Auguste-Viktoria-Schule in Charlottenburg. Nach ihrem Abitur 1912 begann sie ein Medizinstudium an der Berliner Universität. 1917 legte sie dort das Staatsexamen ab. Ein Jahr später, im Juni 1918, erhielt sie ihre Approbation und trat eine Stelle als Assistenzärztin unter Hermann Strauß (1868–1944) in der Inneren Abteilung des Krankenhauses der Jüdischen Gemeinde Berlin an. Hier hatte sie bereits einen Teil ihres Medizinalpraktikums abgeleistet.2 Unter Strauß und Korreferent Wilhelm His (1863–1934) wurde sie 1918 mit einer klinischen Fallstudie über die Diagnostik von Ulcera parapylorica zum Dr. med. promoviert.3

Kurärztliche Tätigkeit in Bad Kudowa

Wolpe blieb bis 1920 am Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Anschließend zog sie mit ihrem aus Breslau stammenden Ehemann Franz Cohn nach Bad Kudowa (Kreis Glatz, Schlesien). Beide hatten am 8. März 1921 geheiratet und arbeiteten fortan als Badeärzte in einer gemeinsamen kurärztlichen Praxis. Als ihr Ehemann 1934 verstarb, übernahm Cohn-Wolpe die Leitung der Praxis.4 In den Wintermonaten lebte und arbeitete sie in Dresden, Weißer Hirsch, bzw. in Berlin.5 Am 23. Januar 1935 heiratete sie den Berliner Radiologen Joseph Ziegler (*1884) und nahm dessen Namen an.6

Als jüdische Ärztin war Ziegler-Wolpe nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zunehmend antisemitischen Repressalien ausgesetzt. Gleichwohl führte sie ihre Praxis erfolgreich fort. Noch Mitte 1937 zählten zu ihren Patienten auch zahlreiche Nicht-Juden.7 Neben ihr war zu jenem Zeitpunkt ein weiterer jüdischer Arzt, Dr. Gotthelf Marcuse, in Bad Kudowa tätig.8

Entscheidung zur Emigration

Zuletzt in der Berliner Knausstraße 10 (Grunewald) gemeldet,9 entschloss sich das Ehepaar Ziegler zur Emigration und reiste im Januar über Palästina nach Shanghai, wo bis kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges vergleichsweise liberale Immigrationsbestimmungen herrschten. Spätestens im Mai 1940 ließ sich das Paar in der Hafenstadt Tietsin (heute: Tianjin) nieder, welches zum damaligen Zeitpunkt unter japanischer Besatzung stand. Joseph Ziegler eröffnete eine gutgehende radiologische Praxis. Ob auch Charlotte Ziegler-Wolpe dort als Ärztin arbeitete, ist nicht bekannt.10

Anfang 1949 immigrierte Ziegler-Wolpe in die USA.11 Hier erhielt sie 1950 ihre ärztliche Zulassung und bekam am 24. August 1954 die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannt.12 Sie lebte zunächst in New York, dann in Elizabeth, New Jersey.13 Ihren Lebensabend verbrachte sie in Downer‘s Grove, Illinois, wo sie im März 1977 im Alter von 83 Jahren verstarb.14

Wolpe war Mitglied im Bund deutscher Ärztinnen.


Quellennachweise

Landesarchiv Berlin, Personenstandsregister, Geburtsregister, Laufende Nummer: 500 A2 Geburts-Register (Neben-Register), Standesamt Berlin XII A, 1893, Bd.1, Geburtsurkunde 2259. – Dieses Biogramm findet sich sehr ähnlich auch in: Vina Zielonka/Ralf Forsbach/Hans-Georg Hofer/Ulrich R. Fölsch, Gegen das Vergessen: Jüdische Ärztinnen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Porträt, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 147 (2022), S. 1596-1604, S. 1598 f.Vgl. Ärztinnen im Kaiserreich (charite.de).Vgl. Charlotte Wolpe, Erfahrungen über die Diagnostik des Ulcus parapyloricum, Diss. med. Berlin 1919.Vgl. Willy Cohn, Kein Recht, nirgends. Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933–1941, Köln u.a. 2006, S. 223; Anja Schnabel, Bleiben in Breslau. Jüdische Selbstbehauptung und Sinnsuche in den Tagebüchern Willy Cohns 1933 bis 1941, Berlin, 2018, S. 142–143.N.N., Adressenänderungen, in: Die Ärztin 7 (1931), S. 68, 116 und 175; Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (Hg.), Verhandlungen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, München: Bergmann [exempl.] 1931.Vgl. Cohn, Tagebuch, S. 203.Vgl. Cohn, Tagebuch, S. 452.Vgl. Prospekt der Kurverwaltung Herzbad Kudowa (1937), einsehbar unter: www.goerlitzer-bahn.de/archiv/bge/prospekt_kudowa.html (einges. 6.3.2021).Vgl. Ärztinnen im Kaiserreich (charite.de).Vgl. Cohn, Tagebuch, S. 585, 626 und 794.The National Archives at Washington, D.C, Passenger Lists of Vessels Arriving at San Francisco, California, NAI Number: 4498993, Record Group Title: Records of the Immigration and Naturalization Service, 1787–2004, Record. Group Number: 85.National Archives and Records Administration (NARA), Washington, D.C, Index to Naturalization Petitions of the United States District Court for the Eastern District of New York, 1865–1957, Microfilm Serial: M1164, Microfilm Roll: 141, Dokument Nr. 7350032.The National Archives at Washington, D.C., Passenger Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1820–1897, Microfilm Publication M237, 675 rolls, NAI Number: 6256867, Records of the U.S. Customs Service, 1953, Record Group: 36; Arrival: New York; Microfilm Serial: T715, 1897–1957, Microfilm Roll: 8332, Line: 8, S. 51.Vgl. Datenbank „Ärztinnen im Kaiserreich“.

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