Gedenken
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Erinnern
Emigration

Wolfgang Oscar (Oskar) Gross

geb. am 05.03.1881 in Mainz
gest. am 05.08.1967 in New York

Mitglied der DGIM 1911 bis 1939

Oscar Groß wuchs als Sohn des Kaufmanns Heinrich Groß und dessen Ehefrau Rosa geb. Ettlinger in Mainz auf. Er besuchte dort das Großherzogliche Gymnasium. Nach seinem Abitur 1900 begann er ein Medizinstudium in Freiburg im Breisgau; weitere Stationen waren Leipzig, München und Berlin.

Groß legte am 24. Januar 1905 in Freiburg das Staatsexamen ab und wurde im selben Jahr unter dem Ordinarius für Chemie Heinrich Kiliani (1855–1945) in der Medizinischen Fakultät mit einer Arbeit über die Ausscheidung von Alkalien und alkalischen Erden im Harn zum Dr. med. promoviert.1 Seine Volontärassistenzzeit absolvierte er an der Medizinischen Klinik in Straßburg unter Ludolf von Krehl (1861–1937) und an der Universitäts-Augenklinik in Würzburg unter Carl von Heß (1863–1923).

Wirken in Greifswald

Nach der Approbation trat Groß zum 1. Oktober 1906 eine Stelle als Assistenzarzt an der von Oskar Minkowski (1858–1931) geleiteten Medizinischen Klinik der Universität Greifswald an. Im August 1909 wurde er dort Oberarzt. Vier Monate später, am 4. Dezember 1909, wurde er habilitiert. Groß forschte zu Stoffwechselerkrankungen, insbesondere zu Cholesterin und Verdauungsenzymen.2 Gefördert und beeinflusst von dem 1909 als Klinikdirektor nach Breslau wechselnden Minkowski wurde er ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der klinischen Pankreasforschung.3 Zum 20. Dezember 1913 wurde ihm in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen das Prädikat „Professor“ verliehen.4

Minkowskis Nachfolger als Klinikdirektor in Greifswald wurde Paul Morawitz (1879–1936). Als dieser im Ersten Weltkrieg als Militärarzt tätig wurde, übernahm Groß interimsweise die Leitung der internistischen Klinik und Poliklinik sowie dessen Lehrverpflichtungen. Nach seiner Rückkehr setzte sich Morawitz dafür ein, Oskar Groß im Sinne einer Beförderung Rang und Titel eines „außerordentlichen Professors“ zuzuerkennen.5

Nachdem Morawitz einen Ruf nach Würzburg angenommen hatte, übernahm Groß als Oberarzt zum 1. Oktober 1922 die Leitung der Poliklinik. Die Leitung der Medizinischen Klinik erhielt im selben Jahr der aus Halle berufene Hermann Straub (1882–1938).

Wechsel nach Saarbrücken

1923 zog Groß ins Saarland und wurde dort Chefarzt der Medizinischen Abteilung am Bürgerhospital Saarbrücken.6 Seine Anstellung in Greifswald wollte er „in Anbetracht der besonderen politischen Verhältnisse im Saargebiet“7 – nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages war das „Saargebiet“ für 15 Jahre unter die Verwaltungshoheit des Völkerbundes gestellt worden – nicht gänzlich aufgeben und ließ sich dort beurlauben.

Nationalsozialistische Repressionen und Emigration in die USA

Groß war evangelischen Glaubens, wurde aber von den Nationalsozialisten als Jude verfolgt. 1936 wurde er aus seiner Position am Bürgerhospital in Saarbrücken zwangsweise entlassen; zu seinem Nachfolger wurde Hans Dietlen (1879–1955) bestellt. Groß, der 1918 mit dem Großherzoglichen Hessischen Militärsanitätskreuz am Kriegsbande (GHSK) ausgezeichnet worden war, versuchte, seine Anerkennung als „Frontkämpfer“ durchzusetzen. Er blieb damit jedoch ohne Erfolg. Jegliche Gehalts- oder Pensionsansprüche wurden ihm verweigert.

Daraufhin ging Groß nach Frankfurt am Main und setzte seine ärztliche Tätigkeit mit einer eigenen Praxis in der Arndtstraße 25 fort, um so seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.8 Aufgrund wachsender Repressionen, darunter dem Entzug seiner Approbation, entschied er sich schließlich zur Emigration und reiste 1939, kurz vor Kriegsbeginn, nach London. Dort fand Groß mit Unterstützung der British Society for the Protection of Science and Learning Aufnahme. In Siegfried Thannhauser (1885–1962) und Ferdinand Sauerbruch (1875–1951) hatte er einflussreiche Fürsprecher.9

1940 emigrierte Groß weiter in die USA und ließ sich in Elmhurst, New York nieder. 1945 wurde ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannt. Ehefrau Anni geb. Bell und die beiden jüngsten der drei Kinder, Karin und Axel, kamen 1947 aus Deutschland nach. Der älteste Sohn, Wolfgang, wanderte nach Argentinien aus.10

Groß erwarb die amerikanische Zulassung als Arzt und ließ sich mit einer Praxis in 1239 Madison Avenue in New York nieder.11 Er blieb in New York bis zu seinem Tod 1967.

Mitgliedschaften

Neben seiner langjährigen DGIM-Mitgliedschaft war Groß von 1929–1937 unter anderem Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kreislaufforschung. Später in den USA wurde er Mitglied der Medical Society of the County of New York und der Medical Society of the State of New York.

Straßenumbenennung in Saarbrücken

2018 entschied die Stadt Saarbrücken, den Hans-Dietlen-Weg umzubenennen. Dietlen hatte zu jenen Ärzten gehört, die die Zwangssterilisierungspolitik der Nationalsozialisten mitverantworteten. Seit dem 9. Januar 2019 trägt die Straße den Namen „Oscar-Gross-Weg“.12


Quellennachweise

Vgl. Oscar Gross, Über die Ausscheidung der Alkalien und alkalischen Erden im Harn, Diss. med. Freiburg 1905.Publikationen (Auswahl): Oskar Groß, Das Cholesterin, sein Stoffwechsel und seine klinische Bedeutung, in: Klinische Wochenschrift 2 (1923), S. 217–230; Oskar Groß; Friedrich Vorpahl: Beitrag zur Lehre von der Verfettung parenchymatöser Organe, in: Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 76 (1914), S. 336–344; Oscar Gross, Ueber den Einfluss der Milz auf die Magenverdauung. Zugleich ein Beitrag zur Methodik der Pepsinuntersuchung, in: Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie 8 (1910), S. 169–180.Vgl. Oscar Groß, Nicolai Guleke: Die Erkrankungen des Pankreas, Berlin 1924; Oscar Groß, Zur Röntgendiagnostik der Pankreaskrankheiten, in: Klinische Wochenschrift 2 (1923), S. 1346–1352; Klinische Beobachtungen zur Pankreaspathologie, in: Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin 10/229 (1921), S. 90–100; Oskar Groß, Zur Funktionsprüfung des Pankreas, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 35 (1909), S. 706–708.Universitätsarchiv (UA) Greifswald, Med. Fak. I 164, Personalakte Prof. Oskar Groß, S. 13.UA Greifswald, Personalakte, S. 16.Vgl. Saarländisches Ärzteblatt, Sonderdruck aus 10/2019, S. 11: https://www.dres-tascher.de/images/tascher/Veroeffentlichungen/Das-Schicksal-juedischer-Aerzte-im-Saarland.pdf (einges. 16.8.2021).UA Greifswald, Personalakte, S. 33.Vgl. Isidor Fischer, Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre, Band III., Hildesheim 2002, S. 548–549; Timo Baumann, Die Deutsche Gesellschaft für Kreislaufforschung im Nationalsozialismus, Berlin/Heidelberg 2017, S. 107–108, 122–124.Bodleian Libraries Oxford, MS. S.P.S.L. 382/5; Baumann, Kreislaufforschung.The National Archives and Records Administration (NARA), Washington, D.C., Index to Naturalization Petitions of the United States District Court for the Eastern District of New York, 18651957, Seriennummer des Mikrofilms: M1164, Mikrofilmrolle: 66; The National Archives at Philadelphia, Philadelphia, Pennsylvania, Declarations of Intention for Citizenship, 1/19/184210/29/1959; NAI-Nummer: 4713410, Records of District Courts of the United States, 16852009, Aufzeichnungssatz 21.The National Archives at St. Louis, St. Louis, Missouri, Selective Service Registration Cards, World War II: Fourth Registration, Records of the Selective Service System, Record Group Number 147.SOL.de: https://www.sol.de/news/update/News-Update,309816/Hans-Dietlen-Weg-wird-Oscar-Gross-Weg-Saarbruecken-aendert-Strassennamen-wegen-Nazi-Vergangenheit,309872 (einges. 16.8.2021).

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