Gedenken
&
Erinnern
Unterdrückung

Ernst Heilner

geb. am 25.07.1876 in Stuttgart
gest. am 13.09.1939 in München

Mitglied der DGIM 1907 bis 1936

Ernst Heilner war der Sohn des jüdischen Kaufmanns Max Heilner (1838–1903) und dessen Ehefrau Franziska (Fanny), geb. Strauß (1846–1915).

Nach seinem Abitur am Eberhard-Ludwig-Gymnasium in Stuttgart 1896 zog Heilner nach München und nahm dort ein Studium der Humanmedizin auf. Nach dem Physikum wechselte er nach Berlin, kehrte für Abschlussprüfungen und Promotion jedoch nach München zurück. 1902 erhielt er seine Approbation und wurde im selben Jahr unter Otto von Bollinger (1843–1909) mit einer Fallstudie zur Thymushypertrophie beim Erwachsenen zum Dr. med. promoviert.1 1906 habilitierte er sich an gleicher Stelle unter dem Ernährungswissenschaftler Carl von Voit (1831–1908) mit einer Arbeit zur Verdauung von Traubenzucker für das Fach Physiologie.2 Als Privatdozent der Münchener Medizinischen Fakultät blieb er am Physiologischen Institut unter von Voit, ab 1908 unter Otto Frank (1856–1944) auch forschend tätig. 1912 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt und hielt diese Position bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten.3

Repressionen unter den Nationalsozialisten

Im Juni 1933 wurde Heilner gemäß § 3 des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ mit sofortiger Wirkung aus dem bayrischen Staatsdienst entlassen.4 Er betrieb aber weiterhin eine Praxis als Facharzt für Innere Medizin in der Rückertstraße 7 in München. Im Nachgang der Novemberpogrome wurde Heilner am 11. November 1938 verhaftet und bis zum 1. Dezember 1938 im Konzentrationslager Dachau interniert. Dort zwang man ihn, eine Vollmacht zur „Verwertung“ seines Grundbesitzes zu unterschreiben; sein Haus in der Prinzenstraße 21 in München wurde verkauft und er selbst auf ausdrückliche Anordnung des „Treuhänders“ zur Mietzahlung verpflichtet.5

Aufgrund der zunehmenden Einschränkungen, denen Heilner sich als jüdischer Arzt ausgesetzt sah, reichten die Einkünfte aus seiner Privatpraxis nicht aus, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Spätestens nach Aberkennung der Approbation 1938 wurde die wirtschaftliche Lage zunehmend prekär, zudem war nach dem Besitzerwechsel eine Zwangsräumung seines Hauses zum 30. September 1939 angekündigt. Aus dieser Situation heraus beging Heilner am 13. September 1939 in seinem Haus mit einer Überdosis Morphium Suizid. Er wurde auf dem Israelitischen Friedhof Garchinger Straße in München beerdigt.6

Wissenschaftliche Arbeiten

Heilners wissenschaftlicher Arbeitsschwerpunkt waren Stoffwechsel- und Ernährungsfragen. Bekannt wurde er durch die Entwicklung verschiedener „organo-therapeutischer Präparate“ gegen Gicht und Arteriosklerose, darunter eine Behandlungsmethode der Gicht, bei der ein Knorpelextrakt in Gelenke injiziert wurde, um so die überschüssige Harnsäure zu binden und auszuscheiden.7 Die Methode wurde unter dem Namen „Heilner-Sanarthrit“ gewinnbringend vermarktet, die theoretischen Überlegungen zum Wirkmechanismus bestätigten sich jedoch praktisch nicht.8

Jenseits der Medizin

Heilner engagierte sich im Automobilklub Bayern und war Aufsichtsratsmitglied der Deutsche Linoleum-Werke Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin, deren Generaldirektor sein Cousin Richard Heilner (1876–1964) war. Überdies spielte er sehr gern die Violine.9

Da Heilner weder geheiratet noch Kinder hatte, bestimmte er seine Haushälterin Maria Malek (*12. Mai 1877 in Libice) zur testamentarischen Erbin.10


Quellennachweise

Vgl. Reichs-Medizinal-Kalender 1937, S. 433; Ernst Heilner, Über einen Fall von Thymushypertrophie beim Erwachsenen, Diss. med. München 1902.Vgl. Ernst Heilner, Die Wirkung des dem Tierkörper per os und subkutan zugeführten Traubenzuckers. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage von der „Verdauungs-Arbeit“, Habil. München 1906.Bayrisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) München, MK 17743.BayHStA München, MK 17743; Völkischer Beobachter, Nr. 181, 1933.Vgl. Datenbank „Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945“, einsehbar unter: www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de855134 (einges. 6.10.2020).Vgl. Peter Voswinckel (Hg.), Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre von Isidor Fischer, Bd. 3, Hildesheim 2002, S. 610–611.Staatsarchiv Basel-Stadt (StABS) Basel, PA 182a B 44, B 393; Ernst Heilner, Die Behandlung der Gicht und anderer chronischen Gelenksentzündungen mit Knorpelextrakt, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 28 (1916), S. 997–999; Ernst Heilner, Die Behandlung der Gicht und anderer chronischen Gelenksentzündungen mit Knorpelextrakt, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 29 (1917), S. 933–936Vgl. Jörg Liesegang, Die Gelatine in der Medizin. Geschichtliches zu der Verwendung der Gelatine in der Medizin des ausgehenden 17. bis zu dem beginnenden 20. Jahrhundert, Berlin, 2006, S. 154–156.Vgl. Voswinckel, Lexikon 3, S. 611; Julius Mossner (Hg.), Adreßbuch der Direktoren und Aufsichtsräte, 1933, Bd. 1, Berlin 1933, S. 635.BayHStA München, MK 54614.

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