Gedenken
&
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Unterdrückung

Charlotte Friedmann

geb. am 07.07.1903 in Mannheim
gest. am 24.02.1939 in Hamburg

Mitglied der DGIM 1929 bis 1934

Charlotte („Lotte“) Margarete Eva Friedmann (1903–1939) war die Tochter des Mannheimer Nervenarztes Max Friedmann (1858–1925) und seiner Frau Emilie Neumann (1868–1922). Max Friedmann war Nervenarzt in Mannheim. Er hatte in Wien studiert und seine Assistenzzeit bei Karl Ludwig Kahlbaum (1828–1899) in Görlitz verbracht. Er forschte insbesondere zu neuropathologischen Fragestellungen, neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sowie Psychosen und Wahnvorstellungen; insgesamt erschienen von ihm über 60 wissenschaftliche Publikationen. Er war als Politiker für die Nationalliberalen, später für die Deutsche Demokratische Partei aktiv.1

"Sehr gut" promoviert

Lotte bestand im März 1921 das Abitur am Mannheimer Karl-Friedrich-Gymnasiumun und nahm zum Sommersemester das Studium der Medizin in Heidelberg auf. Nach Zwischenstationen in Freiburg und Zürich legte sie im Frühjahr 1926 in Heidelberg das Staatsexamen ab. Ihr Praktisches Jahr absolvierte sie an der Chirurgischen und der Medizinischen Klinik in Heidelberg sowie an der Medizinischen Poliklinik in Bonn. Am 11. April 1927 wurde sie unter Helmuth Bohnenkamp (1892–1973) und Ludolf Krehl (1861–1937) mit einer Dissertation über den Einfluss vegetativer Nerven auf den Sauerstoffverbrauch des Herzens in Heidelberg zum Dr. med. promoviert. Ihre „sehr gut“ bewertete Arbeit wurde in „Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere“ publiziert.2

In den Suizid getrieben

Nach ihrer Approbation 1927 arbeitete Friedmann als Assistenzärztin an der Medizinischen Poliklinik in Bonn, ab 1930 am Städtischen Krankenhaus Altona in Hamburg.3 1932 qualifizierte sie sich als Fachärztin für Innere Medizin und wurde im November als Kassenärztin in Villingen in der Praxis von Nepomuk Häßler (1898–1981) tätig; sie wohnte zur Untermiete in der Niederen Straße 24.4 Als unter dem nationalsozialistischen Regime und seiner antisemitischen Gesetzgebung jüdischen Ärztinnen und Ärzte die Approbation entzogen wurde, verlor auch Friedmann am 26. Juni 1935 ihre Zulassung. Bereits im März 1934 verließ sie Villingen und zog zu ihren Eltern nach Mannheim, wenige Monate später nach Hamburg. Dort ließ sie sich als Lehrschwester am Israelitischen Krankenhaus in Sankt Pauli anstellen und arbeitete nach sechsmonatiger Ausbildung als Krankenschwester, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen.5 Sie wohnte in der Eckernförder Straße 4 in Altona. Der Verlust ihrer Tätigkeit als praktische Ärztin belastete Friedmann sehr. Sie erkrankte psychisch und wurde mehrfach stationär behandelt. Am 24. Februar 1939 nahm sie sich mit einem Sprung vom Dach des Israelitischen Krankenhauses in der Simon-von-Utrecht-Straße das Leben. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Mannheim beerdigt.6 Heute erinnern zwei in Hamburg verlegte Stolpersteine an die Ärztin.7


Quellennachweise

Vgl. Alma Kreuter, Deutschsprachige Neurologen und Psychiater. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon von den Vorläufern bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, Band 1: Abelsdorff–Gutzmann, München u.a. 1996, S. 402–404; Michael Brocke/Julius Carlebach (Hg.), Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871–1945, Berlin 2009, S. 732.Universitätsarchiv (UA) Heidelberg, StudA Friedmann, Lotte (1926); UA Heidelberg, H-III-862/51, fol. 80–88; vgl. Lotte Friedmann, Die Herznerven und der Sauerstoffverbrauch des Herzens, Diss. med. Heidelberg 1927; H[elmuth] Bohnenkamp/L[otte] Friedmann, Weitere Untersuchungen über die Herznerven. II. Mitteilung: Die Herznerven und der Sauerstoffverbrauch des Herzens, in: Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere 217 (1927), S. 664–676.Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Mitgliederverzeichnisse, 1929–1934; Reichs-Medizinal-Kalender 1931, S. 164; Reichs-Medizinal-Kalender 1933, S. 170; Reichs-Medizinal-Kalender 1933, Nachtrag 1, S. 104.Auskunft Friedrich Engelke, Pro Stolpersteine Villingen-Schwenningen e.V., 26.10.2021; Amt für Archiv und Schriftgutverwaltung, Abteilung Stadtarchiv Villingen-Schwenningen, Meldekarte Lotte Friedmann.Vgl. Reichs-Medizinal-Kalender 1935, S. 426; Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt. Entrechtung und Verfolgung „nicht arischer“ Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945, München/Hamburg 2009, S. 274.Staatsarchiv Hamburg, Bestand 332-5 Standesämter, Personenstandsregister, Sterberegister, 1876–1950, Nr. 107, 1939; vgl. Jürgen Sielemann (Hg.), Jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Gedenkbuch, Hamburg 1995, S. 116.Dieses Biogramm findet sich sehr ähnlich auch in: Vina Zielonka/Ralf Forsbach/Hans-Georg Hofer/Ulrich R. Fölsch, Gegen das Vergessen: Jüdische Ärztinnen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Porträt, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 147 (2022), S. 1596–1604, S. 1599.

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