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Emigration

Hanna Strauss

geb. am 11.11.1893 in Straßburg
gest. am 26.01.1993 in New York

Mitglied der DGIM 1932 bis 1934

Johanna („Hanna“) Lange wuchs als Tochter des Rechtsanwalts und Justizrats Siegfried Lange und dessen Ehefrau Elise geb. Hüttenbach in Straßburg auf. Sie hatte eine ältere Schwester, Gertrud (1889–1941), die später den Rechtsanwalt Dr. Ewald Aufrecht heiratete. Lange besuchte die Lindnersche höhere Mädchenschule und bestand 1914 das staatliche Schwesternexamen. Anschließend arbeitete sie für ein Jahr als Krankenschwester in der Chirurgischen und in der Medizinischen Universitätsklinik. 1917 legte sie das Abitur am Realgymnasium ab und begann, ebenfalls in Straßburg, ihr Medizinstudium. Weitere Stationen waren Gießen, Freiburg und Frankfurt am Main. Das Sommersemester 1918 verbrachte sie in München und besuchte dort Vorlesungen in Kunstgeschichte.1

Nach ihrem in Frankfurt abgelegten Staatsexamen (1923) arbeitete Lange im Rahmen des Praktischen Jahres für neun Monate an der von Gustav von Bergmann (1878–1955) geleiteten Medizinischen Klinik. Hier fertigte sie unter der Betreuung von Gerhardt Katsch (1887–1961) ihre Dissertation über den Einfluss von Natrium-Bikarbonat auf die Magensekretion an, mit der sie am 20. Juni 1924 zum Dr. med. promoviert wurde.2 Drei weitere Monate des Praktischen Jahres verbrachte sie am Hygienischen Institut. Anschließend trat sie eine Stelle als Assistenzärztin in der Inneren Medizin bei von Bergmann an, die sie bis zum 1. Juni 1925 innehatte. Von Bergmann beschrieb sie als „sowohl nach ihren charakterlichen Qualitäten wie nach ihrem Können am Krankenbett und endlich auch nach der Seite ihrer wissenschaftlichen Einstellung als besonders begabte und tüchtige Ärztin.“3

Am 4. August 1925 heiratete Lange den aus Heilbronn stammenden Kaufmann Max Benjamin Strauss (1875–1929), dessen erste Ehefrau Hedwig Roedelheimer 1922 verstorben war.4 Das Paar lebte in Frankfurt am Main in der Beethovenstraße 10.5

Emigration in die USA und Wechsel zur Psychiatrie

Als Jüdin litt auch Strauss zunehmend unter den antisemitischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes. Vertraut man dem Reichs-Medizinal-Kalender, war Hanna Strauss noch bis mindestens 1937 als Ärztin tätig.6 1938 aber verschärfte sich die Verfolgung. Ihre gesamte Wohnungseinrichtung einschließlich einiger wertvoller Gemälde wurde von den Nationalsozialisten beschlagnahmt.7 Strauss sollte zudem etwa ein Zehntel ihres Vermögens aus dem 1929 nach dem Tod ihres Mannes in der Schweiz eingerichteten Max Strauss Trust an das NS-Regime zu zahlen. Ende 1938 entschied sich Hanna Strauss zur Emigration in die USA. Finanzielle Unterstützung erhielt sie dafür aus dem Max Strauss Trust. Ihre drei Stiefsöhne William, Richard und Karl-Hans waren zu diesem Zeitpunkt mit ihren Familien bereits nach New York beziehungsweise Buenos Aires emigriert. Hanna Strauss erreichte New York am 13. März 1939 an Bord der President Harding.8

Nach Erhalt ihrer Zulassung als Ärztin arbeitete Strauss zunächst am Rockland State Hospital. 1942 wechselte sie an das Creedmoor State Hospital in Queens und begann eine 1946 erfolgreich abgeschlossene Facharztausbildung zur Psychiaterin. Darüber hinaus war sie Mitarbeiterin der New York State Mental Institutions und engagierte sich ehrenamtlich in einigen Organisationen, darunter in der Jewish Psychopatic Patients‘ Relief Society, deren Ehrenmitglied sie 1946 wurde.9

In den USA lernte die verwitwete Ärztin Henry Frederick Pindar (1885–1964) aus Königsberg kennen. Beide heirateten am 26. November 1957 in New York. Pindar war ein angesehener Anwalt und Strafverteidiger, der Kontakte zu Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) und Bundespräsident Heinrich Lübke (1894–1972) pflegte. 1933 hatte er aus Deutschland wegen seiner jüdischen Herkunft und aus politischen Gründen fliehen müssen und war über Zürich ebenfalls in die USA emigriert. Sein Bruder war der Dirigent Carl Alwin (1891–1945).10

Am 27. Juli 1944 erhielt Hanna Pindar die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Zwanzig Jahre später (1964), im selben Jahr, in dem ihr Mann verstarb, wurde die Ärztin am Creedmore State Hospital in den Ruhestand verabschiedet. Sie intensivierte ihre Reisetätigkeit und besuchte zahlreiche internationale Medizin- und Psychotherapiekongresse in Frankreich, Japan, Israel und anderen Ländern. Ihre Arbeit als Psychiaterin führte sie in einer kleinen privaten Praxis in 315 East 72nd Street, New York, bis ins hohe Alter von 92 Jahren fort. 


Quellennachweise

Leo Baeck Institute Archives (LBI) New York, AR 10673, MF 629, Hanna Lange Collection, 1896–1998, 8 Folders: https://archives.cjh.org//repositories/5/resources/7555 (einges. 5.6.2022); Hanna Lange, Über den Einfluss des Natrium-Bikarbonats auf die Magensekretion, Diss. med. Frankfurt am Main 1924, Lebenslauf. – Dieses Biogramm findet sich sehr ähnlich auch in: Vina Zielonka/Ralf Forsbach/Hans-Georg Hofer/Ulrich R. Fölsch, Gegen das Vergessen: Jüdische Ärztinnen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Porträt, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 147 (2022), S. 1596–1604, S. 1600 f.Hanna Lange, Über den Einfluss des Natrium-Bikarbonats auf die Magensekretion, Diss. med. Frankfurt am Main 1924.LBI New York, Folder 6, Zeugnis durch Gustav von Bergmann vom 25. Juli 1927.Hedwig und Max Strauss hatten drei Söhne, darunter William („Willy“) Strauss. Dessen Sohn Julian Strauss und seiner Ehefrau Betsy ist für ihre wertvollen biographischen Hinweise und die Bereitstellung von Fotos zu danken.Amtliches Fernsprechbuch Frankfurt am Main 1935, S. 180.Reichs-Medizinal-Kalender 58 (1937), S. 362.Bundesarchiv, BArch B 323/379, Vermerk: Dr. Hanna Lange-Pindar, Sammlung Max Strauss, Frankfurt/M., und Siegfried Lange, Karlsruhe; Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, https://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/MeldungVerlust.html?cms_param=menu%3Dobjgrp%26INST_ID%3D8891#id83554 (einges. 5.6.2022).National Archives at Washington, D.C, Records of the Immigration and Naturalization Service, Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897–1957, Microfilm Publication T715, 8892 rolls, role 14, p. 82.LBI New York, Folders 6 and 7.LBI New York, Folders 3 and 8.

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