Felix Hirschfeld kam im niederschlesischen Militsch (heute Milicz/Polen) als Sohn von Julius Hirschfeld und seiner Frau Johanna Loewe zur Welt. Der 1831 geborene Vater Julius stammte ebenfalls aus Militsch und starb, als Felix etwa 11 Jahre alt war. Felix lebte fortan mit seiner 1835 in Ratibor (heute Racibórz/Polen) geborenen Mutter – sie starb 86-jährig 1922 in Berlin – und seinem jüngeren Bruder Eugen (1866–1946) zusammen. Eugen wanderte 1889 nach Australien aus, wo er als Arzt und Politiker wirkte.1
Nach dem Abitur nahm Felix Hirschfeld ein Studium der Medizin auf, das ihn nach Würzburg, Berlin und Breslau führte. Einer seiner frühen Lehrer an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität war der physiologische Chemiker Ernst Leopold Salkowski (1844-1923).2
1886 wurde Hirschfeld promoviert. In den Folgejahren trat er als Mitarbeiter des Chemischen Laboratoriums des Pathologischen Instituts an der Berliner Universität mit mehreren Publikationen insbesondere zum Eiweißstoffwechsel hervor.3
Von 1889 bis 1894 war Hirschfeld am Berliner Krankenhaus Moabit tätig. Als das von Robert Koch entwickelte Tuberkulin 1890/91 als vermeintliches Heilmittel gegen Tuberkulose in die Klinik eingeführt wurde, stand Hirschfeld mit Koch und dessen Mitarbeiter Paul Ehrlich in persönlichem Kontakt.4
Arzt, Forscher und Hochschullehrer
Seine eigenen Forschungen, die 1892/93 zu Habilitation und Privatdozentur an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität führten, wandten sich auf der Basis der Moabiter Erfahrungen verstärkt dem Diabetes und der Krankenernährung zu. Über das Coma diabeticum sprach er 1895 vor dem Verein für innere Medicin in Berlin.5
Hirschfeld Forschungsinteressen schlugen sich auf seine Tätigkeit als niedergelassener Internist nieder, auf die er sich ab 1894 konzentrierte. Seine Publikationstätigkeit hielt derweil an. 1897 erschien seine Monografie über spezifische Ernährungskuren.6 Es folgten weitere Beiträge zur Ernährung und zum Diabetes, unter anderem in dem sozialhygienischen Grundlagenwerk „Krankheit und soziale Lage“ von Max Mosse und Gustav Tugendreich.7
Von 1896 bis 1924 Mitglied der DGIM nahm er regelmäßig an deren Wiesbadener Kongress teil. Auf dem 16. Kongress 1898 trug er über den Diabetes vor, vier Jahre später über Magenkrebs.8 Zudem war er von 1895 bis mindestens 1931 Mitglied der Berliner Medizinischen Gesellschaft.9 1922 sprach er vor dem Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin zu „Ueberlastungssymptome[n] der erkrankten Nieren“.10
In den Suizid getrieben
Auf der Grundlage seiner Leistungen in Forschung und Lehre wurde Hirschfeld 1921 zum außerordentlichen Professor für Innere Medizin ernannt. Nach mehr als drei Jahrzehnten universitärer Lehre und kurz nach seinem 70. Geburtstag aber wurde ihm am 14. September 1933 aufgrund von § 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wegen seiner jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis entzogen. In Anbetracht der immer zahlreicher werdenden Demütigungen unternahm Hirschfeld mit Morphium einen Suizidversuch. Er wurde in die Charité gebracht, wo er am 16. Juli 1938 starb.11
Felix Hirschfeld hinterließ seine aus dem oberschlesischen Nakel (heute Nakło/Polen) stammende Ehefrau Grete (Margarete) Rebecca Baerwald, die er 1898 geheiratet hatte, und den 1899 geborenen Sohn Walter. Dieser war als Arzt 1934 in die USA emigriert und ist 1997 hochbetagt in Woburn nahe Boston gestorben. Felix Hirschfelds Witwe Grete und seine Schwägerin Else Esther Wiesenthal sind höchstwahrscheinlich in der Shoah ermordet worden. Die beiden Zwillingsschwestern wurden mit dem sogenannten 12. Osttransport am 3. April 1942 von Berlin in das Warschauer Ghetto deportiert. Dort verliert sich ihre Spur.12
In einem Nachruf, der 7. August 1938 in der C.V.-Zeitung, dem Organ des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, erschien, heißt es über Felix Hirschfeld: „Er war ein bedeutender Forscher. Sein Buch über Diabetes erregte seinerzeit großes Aufsehen. Bahnbrechende, neue Ideen brachte er darin zum Ausdruck. Das Wort „Unterernährung“ stammt von ihm. Die Behandlung des Diabetes wurde durch die Entdeckung des Insulins mit der Zeit zwar erweitert, aber das Grundlegende der wissenschaftlichen Anschauung dieses Leidens blieb. Daher wird auch der Name Felix Hirschfeld bleiben. Hirschfeld war eine richtige Gelehrtennatur: ein einfacher, bescheidener Mann, von hohem Idealismus erfüllt. Alles Enge, Kleinliche und das auf den Schein Begründete lag ihm fern. Ihm galt nur der geistige Mensch. Der Zeit mit ihren Wirren und Stürmen stand er verständnislos gegenüber. An ihr zerbrach auch sein edles Wesen.“13
Stolpersteinverlegung 2024
Die junge Familie von Felix Hirschfeld hatte zunächst im Berliner Tiergartenviertel in der Magdeburger Straße 21 (heute Kluckstraße) gewohnt. Im Jahr 1905 ist im Berliner Adressbuch die Adresse Genthiner Straße 40 vermerkt, im Jahr 1910 die Adresse Von-der-Heydt-Straße 13. Spätestens seit 1915 wohnte die Familie in der Kurfürstenstraße 106, ein letzter Umzug erfolgte 1932/23. Die Adresse lautete fortan Bamberger Straße 17. Dort wurden am 5. März 2024 „Stolpersteine“ zur Erinnerung an Felix Hirschfeld, seine Frau und seine Schwägerin verlegt.14